2017 erschien der hochwertige Plattformer Sam’s Journey für den C64. Neuerdings hüpft der kleine Verwandlungskünstler auch auf dem NES.
Der kleine Sam schlummert friedlich in seinem Bett, als ihn ein lautes Poltern aus dem Kleiderschrank jäh aus den Träumen reißt. Als auch noch gleißender Lichtschein das Kinderzimmer durchflutet, wissen Fantasy-erprobte Leser, dass dem jungen Helden ein aufregendes Abenteuer in einer fremden Welt bevorsteht. Auch wenn das Intro damit sicher keinen Originalitätspreis gewinnen wird, machen die toll gepixelten Standbilder dennoch Lust aufs Spiel. In diesem Fall also auf die neue NES-Umsetzung des gelungenen 2017er Hüpfspiels Sam’s Journey für Commodore 64.
Optisch und spielerisch fühle ich mich auch auf NES an einen knuffigen Hybriden aus Giana Sisters, Super Mario Bros 3 und Kirby’s Dreamland erinnert. Die sauber scrollenden Levels sind bunt und bieten neben der spielerischen Abwechslung einen angenehm hohen Schauwert. Die eingängige Musik lässt den Kopf wie von Zauberhand mitwippen, man merkt einfach von Beginn an, dass man einen hochklassigen Titel vor sich hat.
Durchs Aufsammeln von Power-up-Anzügen kann Sam deren einzigartige Fähigkeiten nutzen – Super Mario und Kirby winken heftig aus dem Spieleregal. Als Pirat darf Sam beispielsweise mit einem mächtigen Krummsäbel zuschlagen, als Ninja bleibt er an Wänden haften, als Elvis-Imitator beherrscht er einen Drehsprung und als Astronaut saust Sam per Jetpack durch die Lüfte. Damit der Frustfaktor nicht zu hoch wird, bekommt Sam großzügige Rücksetzpunkte und unendlich Continues spendiert, zudem kann der Spielstand gespeichert werden. Kein Wunder also, dass Sam’s Journey schon 2017 völlig zu Recht gefeiert wurde und zu den großen Highlights auf dem C64 zählt. In puncto Plattformer gibt es kaum Besseres auf dem Brotkasten!

Die neue NES-Version steht der Urversion in keinem Punkt nach und strebt auch hier merklich nach einem Platz neben den besten Genrevertretern. So ganz gelingt das nicht, das liegt aber nicht an der mangelnden Qualität der Umsetzung von Sams Abenteuer, sondern vielmehr daran, dass es für das NES einige der besten Jump-and-runs aller Zeiten gibt, hier liegt die Messlatte einige Zentimeter höher. Mit Super Mario Bros 3 oder Kirby’s Adventure kann Sam nicht Schritt halten, dort liegen Leveldesign und Spielwitz stets komfortabel in Führung.
Die 30 Levels legen Wert auf Abwechslung, sowohl optisch, als auch bei den Gegnern. Genretypisch steht hin und wieder auch ein Bosskampf an. Was mir nicht so recht gefallen mag, sind einige der Schalterrätsel. Einige Level sind nicht so klar aufgebaut, wie sie sein könnten und man irrt unnötig lange herum, bis sich endlich der richtige Weg auftut. Trotzdem bin ich dem Charme von Sam erlegen, schon die wunderschöne Weltkarte weckt beste Erinnerungen an die glorreichen Jump-and-runs der späten 80er und frühen 90er. Ich bilde mir ein, dass sogar mein altgedientes NES zufrieden summte, als ich Sam’s Journey in den Modulschacht eingelegt habe. Sicher musste es wie ich an die großen Klassiker unserer Kindheit denken…

Ungeduldigen Geistern empfehle ich dringend, die Anleitung zu studieren, bevor sie das Modul als vermeintlich defekt zurück zur Poststelle tragen: Der verbaute Sicherheitschip muss erst durch mehrmaliges Drücken der Reset-Taste konfiguriert werden, damit das Spiel ordnungsgemäß starten kann. Das könnte man wissen, wenn man schon öfter moderne NES-Module genutzt hat, als unkundiger Spieler, der die Anleitung erstmal links liegen lässt, steht man aber vor einem Rätsel. Diese Einstellung muss nur ein einziges Mal erfolgen, danach vertragen sich Konsole und Spiel harmonisch – und die Anleitung kann in der schicken Box sicher im Regal verstaut werden, wo sie hinter Super Mario und Kirby keck hervorspitzt.
Neben der physischen Version für 60 Euro, die dem Sammler auch ein paar kleine Goodies, wie eine Weltkarte im Postkartenformat und einige Sammelkarten bietet, wird Sam’s Journey auch für 20 Euro als Download-Titel angeboten. Poster und Soundtrack sind separat erhältlich.
Man mag darüber streiten, ob die Farbplatte auf dem C64 hübscher ist oder die NES-Variante kontrastreicher wirkt, ich sehe die Darstellung auf dem Brotkasten vorne. Spielerisch empfinde ich dagegen die Joypad-Steuerung dank zweier Buttons als deutlich angenehmer. Welcher Version ihr den Vorzug geben solltet, liegt vor allem an eurer präferierten Hardware, Sam’s Journey ist sowohl auf dem NES als auch auf dem C64 über jeden Zweifel erhaben.
Das Testmuster bekamen wir von poly.play zur Verfügung gestellt.
Danke für das Review. So wirklich entscheiden kann ich mich auch nicht, ob die C64- oder die NES-Fassung besser gelungen ist. Beide nutzen die Systemeigenschaften sehr geschickt. Bei der Steuerung könnte man einen Vorteil bei der 2-Button-Steuerung sehen, doch ehrlich empfinde ich da keinen besonderen Unterschied bei der Spielbarkeit.
Was ich nicht direkt unterschreiben würde, ist die Qualität des Leveldesigns mit Klassikern wie SMB3 (zu Kirby habe ich keinen Bezug. Die Spiele waren noch nie mein Ding). Sam’s Journey kein linearer Parcour-Platformer wie Super Mario, sondern setzt auf Exploration und Mini-Challenges. Das ist mEn nicht vergleichbar, zumal sich das Leveldesign bei Sam’s Journey in diesem Sub-Genre ziemlich geschliffen präsentiert. Das Spiel nutzt Spielmechaniken und Tropes von Klassikern, steht vom Design her eher Spielen Tiny Thor (bzw bei der Challenge-Abschnitten durchaus auch Super Meat Boy) nahe.
Ob die Qualität des Leveldesigns unabhängig davon bei den Nintendo-Klassikern höher liegt, darüber könnte man streiten. Zumindest sehe ich hier keinen komfortablen Vorsprung.
Schön, dass dieses Kleinod hier Erwähnung findet. Kenne beide Versionen und muss sagen, dass mir diese Fassung besser gefällt, sie wirkt einfach geschliffener und stabiler (ich weiß aber, dass es von vielen im C64-verblendeten Deutschland anders gesehen wird, Mistgabeln ich höre Euch fliegen ;)). Dass Sam das Siegestreppchen noch Kollege Mario und Kirby überlassen muss ist nicht wirklich tragisch, gerade wenn man es mal in Relation setzt: Hier dass sympathische kleine deutsche Freizeitprojekt mit 3 Entwicklern gegen die internationale Konkurrenz aus Japan bestehend aus einigen der bis heute rennomiertesten Spieleentwicklern (Miyamoto & Co.) aller Zeiten mit unendlich Zeit, Budget und Know-How dahinter. Um so größere Gratulation an Knights of Bytes, vielleicht holt sich ja ein Sam’s Journey II die Krone der Jump’n’Runs aus der Klempnerhand ? 😉
Bei Super Mario Bros 3 verfliegt einiges an damals hochbeschworener Genialität, wenn man die Nostalgie mal außen vor lässt. In 30 Jahren ist viel passiert und spätestens die späten Rayman-Teile oder das letztjährige Pizza Tower wischen beim Leveldesign mit Mario den Boden auf. So weit muss man nicht mal gehen, denn Flow und Spielgefühl aktueller Mario-Teile spielt in einer anderen Liga als zu 8-Bit-Zeiten. Ich würde jetzt nicht Sam’s Journey aber nicht in direkter Konkurrenz sehen, dafür liegt der Fokus beim Spielablauf schon anders und sowohl Mario wie auch Kirby waren im 2D-Bereich noch nie in explorativen Gewässern zuhause. Offene Level findet man bei japanischen Plattformen ohnehin selten, so lange es nicht in die Metroidvania- oder Sonic-Richtung abdreht.
Für mein Empfinden bei dem Leveldesign bei Sam’s Journey mit solch einem Vergleich etwas tief gestapelt. Das Niveau ist unabhängig davon sehr hoch und läuft vergleichbaren Genreklassikern mit offeneren Leveln vorneweg. Auf dem NES fällt mir gerade gar kein Jump-and-Run dieser Bauart ein, auf 16-Bit-Systemen schon ein paar, wie zB das Dschungelbuch oder Plok.
Danke für den Test, sehr schön geschrieben! Mein NES habe ich zwar lange nicht mehr, aber die Download-Version ist so eben auf meiner Wunschliste recht weit oben eingestiegen!
Ah ja, ein tolles Spiel.
In einem Livestream der ca 5 Stunden ging hatte ich es in einem Zug durchgeballert und es war anstrengend weil ich zwischenzeitlich ein Alter habe, dass nicht mehr so fürs dauerdaddeln geeignet ist, aber es war auch gleichzeitig spannend und ein wunderschönes Abenteuer.
Da würde ich mir ein zweiten Teil wünschen.
Ich mag besonders die unterschiedlich designten Welten und das Sam verschiedenste Fähigkeiten durch Items erlangen kann.
Insich sehr stimmig.
LG
Florian / 8-BitFlo