Do not forsake me, oh my darling…das eingängige Titelstück aus dem Western-Klassiker High Noon geistert auch noch nach Jahrzehnten durch meinen Kopf. Dabei habe ich den Film nur ein einziges Mal gesehen und war damals wenig begeistert. Für einen Grundschüler, der just erfahren hatte, dass eines seiner liebsten C64-Spiele auf einem Film basiert, war ein Schwarzweiß-Western aus den 1950ern halt schwere Kost. Mir wurde klar, dass das Spiel und nicht der Oscar-überhäufte Film mit Gary Cooper der eigentliche Klassiker sein muss.
Zu den Klängen der Ballade tritt ein mutiger Sheriff auf die leergefegte Straße seines beschaulichen Wüstenkaffs, um dieses völlig auf sich alleingestellt gegen anstürmende Banditen zu verteidigen. Das kleine Städtchen bietet alles, was ich damals als glühender Lucky-Luke-Fan erwartete: eine Bank, den Saloon “Saucy Sue’s”, die örtliche Filiale des Totengräbers und ein Gefängnis, die Basis unseres Helden. Vielleicht hätte ab und an noch ein vertrockneter Busch ins Bild rollen können, aber ich war auch so zufrieden, denn die simple Darstellung versprühte einen wunderbaren Comic-Stil. Der feine Unterschied in der Schreibweise von High Noon, dem Film, und HIGHNOON, dem Spiel, ist mir damals dagegen gar nicht aufgefallen.
In klassischer Wild-West-Manier verzichtet der Sheriff auf freundliche Ermahnung oder Tadel, Differenzen werden direkt mit blauen Bohnen geklärt. Arcade-typisch bedeutet ein Treffer den Verlust eines Bildschirmlebens. Spielerisch ist das zwar spaßig, aber auch sehr simpel. Doch es sind die kleinen Details, die HIGHNOON so toll machen: Die kleinen Figuren mit ihren Schlapphüten sind klar als Cowboys zu erkennen, die vermummten Banditen schleppen fleißig Geldsäcke und Frauen aus den Gebäuden und sacken leblos zusammen, wenn sie von meinen Kugeln getroffen werden. Das bedeutet jede Menge Arbeit für den schick gekleideten Totengräber, der nach und nach die leblosen Körper in seinen Laden schleift.
Am Levelende tritt dem Sheriff ein finaler Boss zum Duell auf Leben und Tod entgegen. Auch hier ist die Umsetzung denkbar einfach, es geht alleinig darum, im rechten Moment den Feuerknopf zu drücken. Nämlich dann, wenn er seine Pistole zieht. Trotzdem ist die Spannung in diesen Momenten so dicht, dass man sie förmlich schneiden kann, mein Blick haftet gebannt auf dem pixeligen Unhold, um ja nicht den Moment zu verpassen. Obenrdrein wird die Szene von einer bedrohlichen Fanfare eingeläutet – wenn sich die beiden Kontrahenten dann gegenüberstehen, herrscht dagegen völlige Stille. Erst nach dem Schuß gibt es eine musikalische Auflösung der Szene. Großes Kino!
Für ein Spiel von 1984 bietet HIGHNOON erfreulich viel. Nachdem vier Gegnerwellen besiegt sind, findet die unten abgebildete Szene vor einer Räuberhöhle in den Hügeln statt. Leider gibt es vor den Toren der Stadt weit wenig Schauwert, nur ein einzelner Höhleneingang klafft in den Felsen, auch auf die fliehenden Damen und den Totengräber muss man verzichten und sich mit den anstürmenden Feinden begnügen. Gut, “anstürmen” ist ein wenig hoch gegriffen, wirklich flott sind die Figuren nur unterwegs, wenn sie hoch zu Ross ins Bild galloppiert kommen. Ansonsten läuft das Spiel sehr gemächlich ab.
Sag warum willst du von mir gehen sang später Peter Alexander, als er die Ballade aus High Noon deutsch interpretierte. Dem Film habe ich seiner Zeit Unrecht getan, das Lied begleitet mich aber schon mein Leben lang. Ich bin ein sehr musikalischer Mensch und habe auch in angespannten Situationen gern ein Lied auf den Lippen. Meist sind das Melodien aus Spielen und regelmäßig ist das unsterbliche Thema aus High Noon darunter.
Das zugehörige Spiel ist weder komplex, noch fordert es Einarbeitung oder viel Spielzeit ein – mehr als lockere zehn Minuten am Stück will es uns gar nicht unterhalten. Aber für diese kurze Zeit ist es intensiv und spannend! Näher konnte ein Spiel für mich damals gar nicht an einem Western dran sein. Hm, vielleicht sollte ich mir den Film doch noch einmal ansehen. Ich glaube, das bin ich Gary Cooper schuldig.