Wer kennt das nicht: Den C64 hat man schon vor Jahren ausgemistet, doch urplötzlich steigt das Retro-Fieber wieder. Ein Emulator erfüllt zwar seinen Zweck, doch die Optik bleibt auf der Strecke. Der Retro-Computer-Simulator Breadbox bietet einen interessanten Mittelweg.
Ja, manchmal bereue ich, dass ich meinen C64 verkauft habe! Aber meine Frau hatte schon recht, als sie sagte, dass wir nicht noch so einen unnützen Kasten im Haus gebrauchen könnten. Das rein zufällig und verstörend unberechenbar in ihrer Hand wippende Nudelholz mag ihrer Argumentation zusätzlichen Nachdruck verliehen haben, jedenfalls gab ich meinen Brotkasten flugs in pflegliche Hände weiter, nachdem ich ihn erst wenige Tage zuvor vom Dachboden meiner Eltern gerettet hatte. So ganz Unrecht hatte meine Frau mit ihrem Einwand auch nicht: Die zwei randvollen Umzugskartons mit dem behutsam eingelagerten Computer und Zubehör hätten über kurz oder lang zweifellos ihren Weg auf meinen eigenen Dachboden gefunden, für den langfristigen Betrieb fehlt es an Platz. Außerdem ist der Einsatz eines Emulators doch eh viel zeitgemäßer. Wer braucht schon das charakteristische Klacken der C64-Tastatur, das sanfte Strahlen des Röhrenmonitors oder das beruhigende, beinahe sinnliche Leuchten der roten Betriebslampe? Oh Gott, wem versuche ich denn hier etwas vor zu machen? Ich natürlich! Ich brauche es!
Zumindest stellte ich das fest, als ich mir Breadbox näher ansah. Der Computer-Simulator verspricht einen Emulator mit ansprechend erweiterter optischer Umgebung, das “Drumherum” ist der eigentliche Star. Statt nur brav das gewünschte Programm abzuspielen, wird zusätzlich die heiß geliebte Hardware angezeigt: Tastatur, Disketten-Laufwerk, Datasette, Joysticks — alles ist da, lässt sich aus verschiedenen Blickwinkeln anzeigen und lädt zum Interagieren ein. Die Tasten lassen sich drücken und sogar den Hebel des Diskettenlaufwerks kann ich bewegen. Der C64 wird, wie es sich gehört, über den Power-Button an der Seite angeschaltet. Datenträger müssen ausgewählt und eingelegt werden, anschließend der Startbefehl eingegeben. Als Freund klassischer Systeme kommt man nicht umhin, selig zu lächeln, diese kleinen Spielereien machen wirklich Freude. Abseits der optischen Aufwertung hat Breadbox allerdings keinerlei Vorteile gegenüber einem normalen Emulator, es ist allein der wunderschöne Anblick des simulierten Setups, das die Nostalgie in mir kitzelt. Das allerdings gelingt wunderbar, wenn eine 5,25-Zoll-Diskette ins Diskettenlaufwerkt gleitet, schießen Endorphine durch meinen Körper.
Zugegeben, wenn ich einen herkömmlichen Emulator verwenden würde, wären viele Schritte schneller und einfacher. Aber eben auch steriler. Breadbox zelebriert die Vorbereitungen, denn selbstredend sind Computer und Monitor bei Programmstart noch ausgeschaltet, und die Spiele verstaut, Ordnung muss schließlich sein! Wer lediglich fix ein paar alte Klassiker genießen möchte, der ist mit einem herkömmlichen Emulator weit besser bedient – und wer auf Original-Hardware schwört, rümpft eh nur abschätzig die Nase. Doch wer wie ich die liebevoll verspielte Umsetzung dieses Computer-Simulators zu schätzen weiß, hat mit Breadbox seine helle Freude. Übrigens kommen nicht nur C64-Fans auf ihre Kosten, auch der VIC-20 und der PET 2001 werden simuliert. Wenn ich jetzt noch meiner Frau erzähle, wieviel Platz ich somit eingespart habe, kommt das Nudelholz fortan sicherlich nur noch zum Teigausrollen zum Einsatz. Zumindest, bis ich den nächsten Retro-Schatz nach Hause trage.
Breadbox ist auf Steam aktuell im Early Access erhältlich und kostet 14,79€