Retro Gamer: Rob, was waren deine ersten Berührungen mit Computertechnik?
Rob Hubbard: Zuerst sah ich einen frühen Apple-Computer mit Grünmonitor, ich weiß das genaue Modell nicht mehr. Danach den original Spectrum ZX81 mit Folientastatur. Keiner von beiden arbeitete vernünftig. Als ich überlegte, was ich mir kaufen sollte, entschied ich mich für den C64: Er hatte den besten Soundchip und den größten Speicher. 64 KByte!
Retro Gamer: Erinnerst du dich an das erste Spiel auf einem Computer?
Rob Hubbard: Das war I am thinking of a Number. Man hat eine Nummer eingegeben, und erfuhr dann, ob es die richtige war. Es war kein richtiges Spiel, einfach nur ein Programm.
Retro Gamer: Wann entstand bei dir das Interesse für Musik und die Verbindung zwischen Musik und Computerspielen?
Rob Hubbard: Ich begann mit der Musik, als ich sieben Jahre alt war. Ich komponierte bereits professionell Musik und arbeitete auch mit Synthesizern, bevor ich mit der Computerspielemusik begann. In die Spielebranche kam ich, weil in den Computermagazinen darüber berichtet wurde. Als Musiker beschäftigte man sich zwangsläufig mit Computern, so begann alles.
Retro Gamer: Du warst einer der ersten professionellen C64-Musik-Programmierer. War das schwierig, so fast ohne Hilfsmittel, Erfahrung und Vergleichsmöglichkeiten?
Rob Hubbard: Es war eine neue Erfahrung, es gab keine Regeln, da es ja noch niemand machte. Ich musste mir alles selbst beibringen. Ich musste BASIC programmieren lernen, dann Assembler, musste herausfinden, wie man die Interrupts und den Soundchip nutzt. Und ich musste den Code schreiben, damit alles läuft. Es war eine sehr interessante Zeit, es war sehr herausfordernd. Doch die Ergebnisse lohnten die Mühen!
Retro Gamer: Wie waren die Reaktionen in deinem persönlichen Umfeld? So einen Beruf kannte man ja noch nicht.
Rob Hubbard: Als ich beruflich damit begann, erzählte ich niemandem davon. Sie hätten es nicht verstanden! Das war so neu und auch so weit weg von Leuten, die nichts damit zu tun hatten – niemand hat es wirklich interessiert.
Retro Gamer: Wie wurde man auf dich aufmerksam? Hast du Musik geschrieben und sie Firmen angeboten?
Rob Hubbard: Ich machte Spiele für eine Firma, die pleite ging. Den Namen weiß ich nicht mehr. Ich hatte monatelang alle Grafiken gemacht, den Code programmiert und den Code – und dann ging sie pleite! Ich fragte mich, wie es weitergehen sollte. Ich dachte daran, Musik zu machen – zu der Zeit war die Musik in Spielen wirklich schlecht. Ich habe eine Demokassette mit einigen meiner Stücke an alle Firmen geschickt, die ich in den Magazinen finden konnte. Dadurch kam ich an Aufträge für einige Spiele, und auch die Hefte schrieben über mich, und so kam ich an weitere Aufträge.
Retro Gamer: Gab es Vorgaben oder konntest du deiner Kreativität freien Lauf lassen?
Rob Hubbard: Manchmal schickte man mir eine Demoversion auf Diskette, manchmal traf ich mich mit Programmierern, um zu besprechen, was wir machen wollten. Manchmal bekam ich telefonisch eine Beschreibung, um was es geht. Eigentlich war ich aber ziemlich frei.
„Seit 1988 arbeitete ich als Musiker und spielte auch Gigs.“
Retro Gamer: Ab welchem Zeitpunkt konntest du hauptberuflich Musik machen?
Rob Hubbard: Seit 1988 arbeitete ich als Musiker und spielte auch Gigs mit meiner Band, vier Nächte die Woche. Parallel dazu arbeitete ich an Spielmusik.
RG: Wie viel Zeit hat dich ein durchschnittliches Stück damals gekostet?
Rob Hubbard: Zuerst habe ich ein bisschen rumprobiert. Musik, Soundeffekte und Highscore-Melodie habe ich meist in wenigen Tagen geschafft. Einige Sachen waren aber schon etwas komplexer, dann dauerte es eine Woche oder so.
RG: Das Theme zu Thing on a Spring gilt ja bis heute noch als Highlight und war eines deiner ersten kommerziellen Stücke. Wieso hast du den SID-Chip des C64 damals schon so gut beherrscht?
Rob Hubbard: Ich wusste bereits, wie analoge Synthesizer arbeiteten, kannte mich mit Syncen, Ringmodulationen und verschiedenen Wellenformen aus. Ich kannte die Funktionsweise der meisten Aspekte wie Pulsecode mit Modulation. Ich musste nur verstehen, wie ich das mit einer Software nutzen konnte.
RG: Typische Hubbard-Musik scheint mehr als nur drei Stimmen zu haben. Hast du wie Martin Galway oder Chris Hülsbeck mit Tricks wie einer Samplespur gearbeitet?
Rob Hubbard: Es war eher eine Frage des musikalischen Arrangements. Ein Feature des Treibers war, zwischen 8 Bit kleinen Synthesizer-Patches zu wechseln, wann immer ich wollte. Dadurch konnte ich die Musik klingen lassen, als ob sie mehr Stimmen hätte.
RG: Irgendwann hat du begonnen, für Electronic Arts zu arbeiten. Wie kam es dazu?
Rob Hubbard: Ich war auf der Preisverleihung einer Computer-Messe in London, ich bekam einen Preis für meine Musik. Ich traf Leute von EA und sie fragten mich, ob ich als Freelancer für sie arbeiten wollte. Nach einigen Monaten boten sie mir einen Job an. Ich verkaufte einen großen Teil meines Krempels und zog zu EA.
RG: Hat sich der Stil deiner Musik im Laufe der Zeit verändert?
Rob Hubbard: Vieles hat sich verändert, von den alten Zeiten mit Spielen wie Action Biker hin zu Skate or Die oder Knucklebusters oder Stücken, die ein bisschen abenteuerlicher waren. Der Trick war, Samples hinein zu bekommen, den nicht maskierten Interrupt zu benutzen – und das alles in 5 Kilohertz.
RG: Mit welchen Personen hast du in deiner Karriere zusammengearbeitet, die dich beeindruckt haben?
Rob Hubbard: In der alten Zeit war das vor allem Martin Galway, der viel Interessantes mit dem SID geschaffen hat. Er machte gute Arbeit, genauso wie Ben Daglish. Aber so um 1985, 1986 herum arbeitete ich Tag und Nacht an so vielen Spielen, dass ich kaum Zeit fand, selbst zu spielen und die Musik von anderen Leuten zu hören. Martin Galways Titelmelodie im Rambo-Computerspiel mag ich am liebsten!
„Martin Galways Titelmelodie in Rambo mag ich am liebsten!“
RG: Und von deinen eigenen Stücken?
Rob Hubbard: Sanxion ist sicherlich eines davon. Als ich anfangs daran arbeitete und die ersten 16 Takte fertig hatte, mochte ich es nicht. Aber als alles fertig war, viel später – dann gefiel es mir gut.
RG: Welcher Soundtrack war am schwierigsten zu komponieren?
Rob Hubbard: Einige Spiele benötigten viele verschiedene Elemente, etwa Dragon’s Lair II mit seinen vielen Musikstücken. Auch die Knucklebuster-Musik hatte etliche Teile, sie dauerte am längsten. Aber auch Delta hatte viele Stücke.
RG: Gibt es Musikstücke von dir, die du heute nicht mehr gut findest?
Rob Hubbard: Ja, einige. I-Ball ist eines davon. Auch von meiner Arbeit an Star Paws war ich war nie richtig begeistert. Doch wenn man bereits das “Go” für den Auftrag hatte, war einfach keine Zeit mehr, etwas noch einmal zu überarbeiten, auch wenn man nicht 100% zufrieden war.
RG: Lass uns über einige Aspekte deiner Arbeit fachsimpeln: War das gesampelte “Go!” von BMX Kids von dir eingesprochen?
Rob Hubbard: Ja, zu dieser Zeit versuchte ich einiges. Es war ein wirklich einfaches Sample für den C64. Ich musste überlegen, wie ich es konvertiere, sodass es mit dem Treiber funktionierte.
RG: Erzähl’ uns als nächstes von Commando.
Rob Hubbard: Commando war eine der verrücktesten Sachen. Die riefen mich morgens um 11 an und fragten, ob ich einen Zug von Newcastle nach Birmingham nehmen könne. Ich sagte Ja und war so um 16 oder 17 Uhr in Birmingham. Wir gingen durch ein Einkaufszentrum zu einem Pub. Um 22 Uhr war ich wieder bei ihnen im Büro, und sie gingen heim. Ich arbeitete die ganze Nacht durch, um die Musik fertigzubekommen. Sie hatten einen Spielautomaten von Commandoim Büro, also hörte ich mir die Musik an. Ich orientierte mich hauptsächlich am Titelsong der Arcade-Fassung für meine Commando-Musik. Bis 5 oder 6 Uhr früh machte ich die Highscore-Melodie und die Soundeffekte. Um 8 Uhr war ich fertig, nahm den Zug zurück nach Newcastle und ging erst mal ins Bett.
RG: Was fällt dir zu IK+ ein?
Rob Hubbard: An IK+ erinnere ich mich nicht mehr so richtig, aber an den Vorgänger, International Karate. Man wollte, dass ich Musik des Films Furyo – Merry Christmas, Mr. Lawrence benutze. Ich hatte ein bisschen Bauchschmerzen wegen des Copyrights. Keiner kannte sich damals mit Copyright aus, man klaute ständig irgendwas irgendwoher. Meine Musik in IK basierte auf dem Weihnachtslied “Merry Christmas, Mr. Lawrence”. Um es interessanter zu machen, packte ich noch ein bisschen Neues dazu und interpretierte es etwas anders.
RG: Und was weißt du noch zu Skate or Die?
Rob Hubbard: Das war eine meiner Aufgaben, als ich zwei Monate in Amerika für EA gearbeitet habe. Ich schrieb dort einige Treiber, einigen Code. Ich komponierte die Musik für Skate or Die und nutzte dafür auch mein Sample-Archiv.
RG: Du hast auch an Samantha Fox Strip Poker gearbeitet…
Rob Hubbard: Oh Gott, das ist etwas, was ich für den Publisher Martech gemacht habe. Samantha Fox Strip Poker war so richtig billig. Ich benutzte deswegen einen falschen Namen, John Smithes oder so (John York, Anm. d. Red). Ich wollte es nicht zugeben, dass es von mir war! Es war so klischeehaft. Samantha Fox selbst betrachtete man immer als eine Art Witz, sie begann ja später auch zu singen. Richtig schlecht zu singen!
„Samantha Fox Strip Poker war so richtig billig.”
RG: Welche Musik hörst du außerhalb von Computerspielen?
Rob Hubbard: Da gehe ich zurück zu meinen Wurzeln. Bevor ich zu den Computern kam, machte ich viel Jazzmusik, viel Klassisches. Also nenne ich Strawinsky, Mahler, Schostakowitsch, Chick Corea, Michael Brecker.
RG: Du hast nicht nur am C64 programmiert.
Rob Hubbard: Ja, ich habe vieles auf dem Sega Genesis und für PC gemacht. In den 80ern auch auf Ataris 8-Bit-Systemen. Dazu einige Konvertierungen auf dem Spektrum 128 und den Amstrad-Homecomputern. Der Prozessor war dabei der größte Unterschied. Der Amiga etwa hatte den 68000er, das war für die 80er ein großartiger Chip, um darauf zu arbeiten.
RG: Was war Dein letztes Musikstück auf dem C64?
Rob Hubbard: Das war, glaube ich, Jordan vs. Bird One on One Basketball von Electronic Arts.
RG: Kannst du dir vorstellen, heute noch auf dem C64 zu programmieren?
Rob Hubbard: Nicht so richtig, ich habe nicht mal mehr einen C64. Auch keine Software oder Entwicklungssoftware dafür.
RG: Schreibst du heute noch neue Musik, wenn ja, wo kann man sie hören?
Rob Hubbard: Ich schreibe noch Musik, ich habe etliche Musikprojekte, für die ich komponiere, aber nicht für Spiele. Ich habe einiges für den FIlm Bedroom to Billions komponiert, auf dem zugehörigen Soundtrack ist einiges von mir. Andere Kompositionen habe ich für Auftraggeber nur auf Papier geschrieben, davon gibt es keine Aufnahmen.
RG: Was sind die größten Unterschiede im Produzieren von Musik im Vergleich zu damals?
Rob Hubbard: In den C64-Tagen hatte man nur zwischen 2 und 5 KByte Platz für die Musik. Man konnte auch kein 90-Personen-Orchester engagieren. Es war völlig anders. Aber die künstlerische Freiheit, die man damals hatte, hat man heute nicht mehr.
RG: Erstaunt es dich, das sich heute immer noch Fans an die Musik aus jener Zeit erinnern?
Rob Hubbard: Als ich zum Beispiel für Thing on a Spring komponierte, dachte ich, das es sich mit diesen Spiele so verhält wie mit Pop-Schallplatten: Sie sind ein paar Wochen bekannt und verschwinden dann im Mülleimer. Dass sich Leute heute noch an Stücke aus den 80ern erinnern, ist schon bemerkenswert! Ich bekomme immer noch Briefe von alten Fans. Ich werde zu verrückten Conventions oder anderen Treffen eingeladen. Ich glaube, es ist für viele Leute Nostalgie. Sie wuchsen damit auf, sie spielten diese Spiele. Bedrooms to Billions zeigt gut das Gefühl von damals. Es waren zukunftsweisende Tage, es herrschte Aufbruchsstimmung.
RG: Triffst du dich heute noch mit Kollegen aus der alten Zeit?
Rob Hubbard: Nicht wirklich. Wenn, dann trifft man sich auf Events. Aber im Alltag habe ich keinen Kontakt mehr zu ihnen.
RG: Welche Retro-Hardware besitzt du?
Rob Hubbard: Ich habe einige Pianos und ein altes Roland-Modul, das ich immer noch benutze. Ich habe keine 8-Bit-Computer mehr, keine Amigas oder so. Ich höre ab und zu noch Retro-Musik – weil mich ständig Leute zu den alten SID-Stücken befragen, und ich mich nicht immer gut daran erinnern kann.
RG: Wie siehst Du die Zukunft der Retro-Szene? Wird man in 20 Jahren immer noch Spaß an dieser alten Zeit haben?
Rob Hubbard: Ich sprach mit jemand, der ein Buch über Chiptunes gemacht hat. Ich fragte ihn: “Warum langweilt es die Leute nicht, Gameboys für Chipmusic zu nutzen, wenn sie all diese moderne Technologie zur Verfügung haben?” Seine Antwort war, dass das an der wegfallenden Vielfalt läge. Wenn man Cubase mit den verschiedenen VST und Plugins benutzt, hat man zu viel Auswahl. Man ist überfordert. Die Attraktion von SID-Tunes ist, dass diese Auswahl wegfällt. Man muss innerhalb von engen Grenzen kreativ sein. Es ist ein bisschen wie in den 80ern mit der Punk-Revolution gegen Progressive Rock. Die Leute begannen mit Punk-Musik, weil sie die Komplexitäten des Progressive Rock hassten. Ob Chipmusik in zehn oder 20 Jahren noch da ist, weiß ich nicht. Die Dinge entwickeln sich weiter!
Das Interview führte Patrick Becher. Textredaktion: Jörg Langer (retro-gamer.de). Abdruck mit freundlicher Genehmigung von www.retrokompott.de