Intro-Spektive: Another World
In den frühen 90er Jahren waren Pixel-Intros aus Standbildern mit wenigen Animationen auf dem Amiga noch die Regel. Das änderte sich jedoch 1991 mit einem Spiel von Éric Chahi, das aus einer anderen Welt zu kommen schien.
In der Rubrik Intro-Spektive stellt Daniel Cloutier die Intros bekannter Retrospiele vor – und was sie besonders gemacht hat.
Das Intro von Another World beginnt mit der Ansicht auf eine Art Beton-Container, dessen Design futuristische Züge trägt. Im Hintergrund zeichnen sich ein Zaun und diverse Kräne ab, was darauf hinweist, dass wir uns wohl in einem Industrie- oder Hafengebiet befinden.
Viel Zeit zum Verweilen bleibt jedoch nicht, da schon wenige Augenblicke später ein Sportfahrzeug mit quietschenden Reifen in eine Parkposition vor dem Container driftet. Schon die erste Einstellung zeigt die butterweichen, wunderschönen Animationen der Vektorgrafik.
Kurz darauf steigt ein junger, rothaariger Mann mit T-Shirt aus dem Fahrzeug…
… und macht sich auf den Weg zum Eingang des Containers. Die Kameraperspektive wechselt alle paar Sekunden und zeigt den Weg des Manns aus Bodennähe. Man kommt sich vor, als würde man den Beginn eines Films verfolgen. Im Jahr 1991 auf dem Amiga!
Der Mann steigt in einen Fahrstuhl und fährt der Dauer nach mehrere Stockwerke in die Tiefe. Das Intro visualisiert dies stilisiert durch die Bewegung im Spalt zwischen der Fahrstuhltüren. Mit Beginn der Fahrt untermalt Ambient-Musik im Hintergrund die Szene.
Unten angekommen können wir unseren Protagonisten erstmals aus der Nähe sehen. Er schreitet auf die Kamera zu, bis sein T-Shirt den gesamten Bildschirm bedeckt und kommt dann auf der anderen Seite wieder heraus. Ein klassisches filmisches Mittel, wie an so vielen Stellen des Intros.
Bei der Eingabe des Zugangscodes sind wir hautnah dabei…
… und schon beginnt der Scanvorgang. Befinden wir uns in einem Militärgebäude? Geht es um geheime Forschung?
Wir werden als Professor erkannt, der mal wieder mit seinem Ferrari zur Arbeit erscheint. Die Entwickler des Scanners haben an alles Wichtige gedacht! Das Ambient-Thema der Fahrstuhlfahrt tönt im Hintergrund mit einem Marschrythmus und arbeitet die Melodie noch einmal klarer heraus. Es wird spannend.
Zudem: Ein locker gekleideter, ferrarifahrender, junger Professor, der in einer geheimen Forschungseinrichtung arbeitet – mehr Fan-Service für jugendliche, zumeist männliche Amiga-Spieler geht kaum.
Immerhin kommt der Professor so an seinen Schreibtisch. Typisch für 90er-Jahre-Futurismus: Er nutztkeinen klassischen Bildschirm, sondern eine Projektion. Immerhin in klassischem Grün. Hinter dem Schreibtisch befindet sich eine große, sternförming angelegte Maschine.
Das Intro gibt uns einen Einblick in seine Arbeit, die sich rund um angewandte Teilchenphysik zu drehen scheint. Zumindest gibt der Professor unterschiedliche Parameter ein und das Display zeigt das klassische Layout eines Teilchenbeschleunigers an.
Der Professor wirkt eher beiläufig interessiert und nippt derweil an einem Kaltgetränk, unterlegt durch das Zischen der Dose und seinen Schluckgeräuschen. Die Musik wird monotoner, dramatischer.
Draußen zieht ein Unwetter auf, es stürmt und blitzt. Hoffentlich sind die Scheiben des Ferrari geschlossen! Nach einigen Sekunden schlägt ein Blitz in den Forschungscontainer ein.
Darauf hatte der Professor offenkundig gewartet, sehen wir doch wie eine Art Kapsel gefolgt von Blitzen durch einen Gang schießt. Eine ungemein dynamische Szene, die hervorragend die Geschwindigkeit des Vorgangs darstellt.
Anstelle des breiten Schreibtischs reicht ein breites Loch im Boden des Labors in die Tiefe. Wo ist der Professor?
Kurz darauf zeigt das Intro eine Unterwasserszene in einem tiefen, quadratischen Becken. Die Kapsel erscheint und ein Mann (der Professor?) schwimmt Richtung Oberfläche. Die Farbwahl und das Spiel mit Licht und Schatten funktioniert hervorragend, der Unterwasser-Eindruck ist beeindruckend.
Er taucht an der Oberfläche auf, bereits auf den ersten Blick erkennbar nicht mehr in der Nähe des Labors. Im Hintergrund scheint ein großer Mond durch den Taghimmel, eigenartig Spitze Fehlsformationen wechseln sich mit Steinplateaus an. Erhöht auf einer Plattform zur Rechten steht ein großes, schwarzes Raubtier, das nicht von dieser Welt stammt.
Nicht verwunderlich, wir befinden uns auch in Another World!